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#13
Vier Fragen an...

...Beat Feurer

1. Für eine kurze persönliche Einordnung: Wie stehen Sie zur Kultur? Was bedeutet der Begriff «Kultur» für Sie?

Wir können feststellen, dass früher die schöpferische Begabung dem Genie zugeordnet wurde oder allenfalls war der Künstler ein Handwerker. Heute ist das anders. Kunst hat sich demokratisiert. Sie ist quasi durch jeden vermittel- und erlernbar. Sie zeichnet sich aus durch Kreativität und Affektbeladung. Über diese beiden Begriffe würde ich deshalb den Begriff des Kreativitätsdispositivs stellen – Kunst muss kreativ sein, sie muss uns berühren, sie soll in einem positiven Sinn Erlebnis vermitteln.

Konsequent weitergedacht, löst sich dabei der Gegensatz von Geld und Geist - also die Herauslösung der Kunstsphäre aus der Wirtschaft – auf. Wo liegen heute noch die Differenzen zwischen Kunst oder Konsum? Die ununterbrochene Schaffung von immer neuen ästhetischen Erlebnissen gehört zum Kern dessen, was die postmoderne Ökonomie ausmacht. Kunst ist nur eine Reinform davon, die Grenzen verschwimmen zusehends.

Beim Publikum sind nach meinem Dafürhalten heute keine relevanten Differenzen mehr feststellbar zwischen Interesse an Unterhaltung und einem solchen an Kunst. Immer sind damit auch Erlebnisse verbunden. Tatsächlich könnte man in diesem Zusammenhang von einem vierten Sektor sprechen. Dieser unterscheidet sich deutlich vom Dienstleistungssektor. Der so definierte vierte Sektor liefert erinnerbare, emotionale Erlebnisse und keine funktionalen Leistungen wie Zugang zum Internet, chemische Reinigung oder Zahlungsverkehr. Was früher also das Vorrecht der Kunst war, treffen wir heute in sämtlichen Lebensbereichen an. Selbst marginale Alltagsobjekte, wie zum Beispiel eine Flasche und sogar der eigene Körper, das individuelle Leben wie der öffentliche Raum werden immer stärker ästhetisiert. Eine solche Ästhetisierung ist in der aktuellen Welt eine legitime, für Viele verpflichtende Erwartung. Das postmoderne Leben ist zu einem kontinuierlichen Fluss an Differenzerfahrungen geworden.

Dieses Potential herauszuarbeiten, es zu vermehren ist die Aufgabe Aller geworden. Der kreative Mensch ist heute im Zentrum, weil darin die Zukunft auch des wirtschaftlichen Wirkens liegt. Er ist auch der gute Arbeitgeber, der gute Mitarbeiter, indem er seine eigene Lebenswelt fortlaufend verbessert. Dieser kulturellen Erwartung können wir nicht mehr entkommen. Ich würde dies als den produktiven Imperativ bezeichnen, unter dem wir schon heute leben.

Affektive Differenz begegnet uns heute somit überall. Der Künstler ist nur noch EIN Produzent davon – einer von vielen. Wir lesen, gehen ins Theater, besuchen Ausstellungen, spielen Computerspiele. Weshalb? wegen der affektiven Reize - wir wollen bewegt, erregt, unterhalten werden. Wir machen das alles nicht, um zum Beispiel existenzielle Theorien zu studieren oder etwas über die Schwierigkeiten randständischen Lebens zu erfahren. Solches Wissen wollen wir unter Umständen durchaus auch erwerben, aber wir haben heute andere Möglichkeiten dazu.

Somit kann also heute fast alles Kunst sein. Nötig ist lediglich, dass der richtige Zusammenhang gefunden wird. Es geht also nicht mehr (schon lange nicht mehr) um ein Handwerk. Was zählt ist die Affektkomponente.

2. Wie gedenken Sie sich für die Kultur in Biel einzusetzen? Wie sieht dementsprechend Ihrer Meinung nach die Bieler Kulturlandschaft in zehn Jahren aus?

Wir können schon heute feststellen, dass es keine relevanten Unterschiede mehr gibt zwischen der Kunstszene im engeren Sinne und dem kreativen Wirken in allen gesellschaftlichen Schaffensebenen. Der öffentliche Diskurs zeigt aber auch, dass das aktuelle Kunstverständnis diese Realität noch nicht verinnerlicht hat. Aber die dargelegte Einsicht wird sich meines Erachtens in Zukunft immer mehr durchsetzen. Dazu wird die Erkenntnis gehören, dass es in der Kulturförderung nicht mehr um originelle, besondere, bedeutungsvolle oder wie immer geartete Kunstwerke gehen wird, sondern um Erlebnisse in beliebiger Zahl, die unsere emotionale Kompetenz erweitern.

Das wird auch bedeuten, dass die Erkenntnis wachsen muss, wonach der sogenannte Qualitätsbegriff ein eigentlicher Herrschaftsbegriff ist. Ein Begriff der Macht. Das Kreativitätsdispositiv hingegen ist demokratisch. Damit ist gemeint, dass der Mensch fähig ist zur unabhängigen Wahl der Affektreize, die er oder sie braucht. Damit wird Kunstförderung also auch viel breiter und weniger Institutsbezogen nach Kunstformen suchen, die wie oben erwähnt Kompetenzen erweitern, dazu anregen, Kunst unter dem Gesichtspunkt des Kreativitätsdispositivs zu multiplizieren und zu potenzieren.

Was bedeutet dies auf Ihre Frage bezogen bezüglich meines Einsatzes? Aus meiner Sicht braucht es eine stärkere Verknüpfung zwischen Politik und dem, was ich als Kreativitätsdispositiv bezeichne. Kunst und die mögliche Förderung sollen sich mehr darüber definieren, inwiefern sie im Sinne des Kreativitätsdispositiv wirkt bzw. Wirkung erzielt. Führt eine einzelne Kunstleistung dazu, dass sich mehr Personen aus der Sozialhilfe ablösen können? Wird das Bildungsangebot so verändert, dass die Sprachfähigkeit der Schüler sich verbessert? Etc. Simpel ausgedrückt: Welche Kunst trägt auf einmalige und kreative Weise dazu bei, dass sie den Auftrag des Staates messbar und nachhaltig unterstützt? In diesem Sinne würde ich mich für eine Neukalibrierung und Neupositionierung der Kunst engagieren.

3. Wie sehen Sie den für die Kultur einsetzbaren finanziellen Rahmen? Kreativer Ansatz gefragt: Wie könnte man mehr Geld für die Kultur generieren, bzw. wenigstens das vorhandene Budget beibehalten?

Hier ist eine Vorbemerkung anzufügen: Die Stadt Biel gibt je Einwohner bereits heute im Verhältnis zur Steuerkraft mehr Geld aus für Kunst als die Städte Bern und Thun.

Eine Aufrechterhaltung der Finanzierung der bestehenden Strukturen zulasten der staatlichen Leistungen beispielsweise im Bildungsbereich oder zugunsten von sozial schwachen Menschen erscheint mir zusätzlich zu den obenstehenden Überlegungen nicht rechtfertigbar. Hingegen könnte Kunst wie oben ausgeführt über das Kreativitätsdispositiv in anderer, integrierterer Form zu einer Neupositionierung finden, welche durchaus Mittel freisetzen kann.

4. Einwort-Antwort: Was sollte vor allem gefördert werden: Institutionen? Kunstschaffende? Nachwuchs? Ateliers? Events? Anderes?

s. Antworten oben

Beat Feurer SVP
Beat Feurer, SVP